Kurze Rede
Als ich vor wenigen Tagen gefragt wurde, ob ich einige Worte über meine Studienzeit bei Professor Nickel sagen würde, war ich im ersten Moment sehr überrascht. Es sind etwa 17 Jahre seit damals vergangen in denen ich, ganz ehrlich, nie bewusst daran zurück gedacht hatte.
Ich holte meine Vorlesungsunterlagen aus der Scheune, habe darin gelesen und anschließend mit meiner Frau über unser Studium gesprochen.
Da passierte etwas Erstaunliches!
Wie von einem guten Buch gefesselt wühlte ich gedanklich in eine Vergangenheit herum die auch meine geworden war! Ich las eine Jahresarbeit in der ich einen Schatzfund aus dem Saalkreis bearbeitete. Ich hatte völlig vergessen wie viel Spaß es damals gemacht hatte, die Fundstelle zu suchen, mit Augenzeugen zu sprechen, in alten Flurkarten und Gerichtsakten zu blättern, Hypothesen aufzustellen, sie zu verwerfen um am Ende einen Falschmünzer des 16. Jahrhunderts zu überführen.
Die Kunstgeschichte, von der Professor Nickel sprach, habe ich damals sehr wohl zur Kenntnis genommen. Das war für mich das gesammelte und geordnete Wissen darüber, was die Generationen von Künstlern vor mir geleistet hatten. Wenn ich heute zurück denke, habe ich dieses Wissen bei meiner eigenen gestalterischen Arbeit immer im Hinterkopf behalten. Aber nur, um nicht Dinge zum X-ten mal zu wiederholen, um nicht irgendwie Postmodern oder anders NEO zu sein.
Ich glaubte bis heute, dass für mich die Vergangenheit keine große Rolle spielt. Die Geschichte vermag für mich nur einen Teil der Wahrheit wiederzugeben.
Es gibt aber offenbar Menschen, für die die Vergangenheit viel mehr als nur berufliche Gegenwart ist. Menschen, wie Sie Professor Nickel, die akribisch das Unwiederbringliche studieren und ordnen um es vor dem Vergessen zu bewahren. Damit wir die Möglichkeit haben daraus etwas zu lernen. Wir Mensch sind sehr Vergangenheitsbezogen. Wir schöpfen, wie es so schön heißt, daraus die Kraft für unsere Zukunft. Aber auch unsere Wertvorstellungen orientieren sich daran und wir versuchen viel zu oft die unermessliche Zukunft mit veralteten Maßen zu messen.
Die Kunstgeschichte sehe ich als eine Art „Schlechtes Gewissen“ an, das mich vorantreibt. Als Gestallter bin ich bestrebt Dinge zu tun, die es wert sind, dass die zukünftige Kunstgeschichte sich damit befasst. Als Künstler möchte ich nicht nur Vergangenheit verarbeiten und bewältigen, sondern selbst die zukünftige Schreibweise bestimmen.
Irgendwann haben die Menschen angefangen ihre Geschichte parallel zur Gegenwart auf zu schreiben. Die Ursprünge brauchen nicht mehr an Hand nur weniger Artefakte rekonstruiert zu werden. Geschichte auch Kunstgeschichte wird seitdem gemacht, gesteuert und manipuliert.
Zukünftige Kunsthistoriker werden es bestimmt nicht leicht haben Kriterien für die Einordnung der künstlerischen Äußerungen unserer Zeit festzulegen.
Lieber Herr Professor Nickel, danke dass ich in Ihrer Geschichte einen Platz gefunden habe. Ich hoffe, dass die meisten ihrer Studenten nicht so lange brauchen, um zu verstehen warum sie sich mit der Vergangenheit herumschlagen sollen.
Es reicht offensichtlich nicht ein Teil der Geschichte zu sein. Die Zeit muss unwiederbringlich vergehen um das auch zu begreifen.